Detail aus dem „Landplagenbild“ F. Seemann, 1908
„Landplagenbild“
Im Mittelalter wurden Heimsuchungen wie Verheerungen, Epidemien und Heuschreckenplagen als göttliche Strafe aufgefasst. Zentrales Denkmuster waren die im Alten Testament geschilderten „sieben Plagen“, mit denen Jahwe Ägypten überzog. In der Vorstellung der Zeit kam dabei den Heiligen die Aufgabe der Fürbitte zu, der „intercessio“. 1480 war ein besonderes Schreckensjahr, verbunden mit schweren Verwüstungen, die osmanische Streifscharen bis in die Obersteiermark hinein anrichteten.
Aquarell auf Papier nach einem Karton von Heinrich Schwach, 1867–1868
nach dem Originalfresko am Grazer Dom, Südseite, zugeschrieben Thomas von Villach, um 1485
60 × 84,7 cm
Graz Museum / Foto: Edin Prnjavorac
Mittelalterliches Weltbild und ständische Gesellschaftsordnung
Das Gottesplagenbild ist in Ebenen unterteilt: Die obere Zone gibt die hegemoniale Weltordnung des Himmlischen und Irdischen wieder, die untere die Grazer Landplagen. In der himmlischen Zone thront mittig der dreieinige Gott (Vater, Sohn, Heiliger Geist), flankiert von Maria und Johannes dem Täufer als Fürsprecher*innen der Menschheit vor Gott – hinten Figuren des Alten und Neuen Testamentes. Im Zentrum der irdischen Ebene thront der Papst als Stellvertreter Christi auf Erden, flankiert von den Bettelmönchen Franziskus und Dominikus – rechts vom Papst die geistlichen Vertreter in hierarchischer Abstufung, links die weltliche Ordnung vom Kaiser bis zum einfachen Volk. In der unteren Zone nehmen die Osmanen, wohl als schwerwiegendste (Gottes-)Plage aufgefasst, am meisten Platz im Zentrum ein.